Die Corona-Krise als Treiber für Digitalisierung

Das Corona-Virus hat uns fest im Griff. Alle Lebensbereiche sind von der Krise betroffen. Besonders das Gesundheitssystem ist unter enormen Druck geraten. Doch die Krise birgt auch eine Chance für die Digitalisierung des Gesundheitswesens: Digitale Anwendungen, die bisher ein Nischendasein führten, erfahren nun einen großen Schub.

Telemedizinische Lösungen sind nicht neu, doch bisher wurden viele noch nicht in der Breite angewendet. Die aktuelle Krise ändert das gerade: Nicht nur erfahren verschiedene Anwendungen wie zum Beispiel die Videosprechstunde einen massiven Anstieg der Nutzerzahlen, auch die übergeordneten Stellen räumen Hindernisse rasch aus dem Weg. So reagierten die Verantwortlichen von GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schnell und einigten sich auf Regeln, die Ärzten und Patienten die Nutzung telemedizinischer Anwendungen erleichtert. War es beispielsweise bis dato für die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendig, dass Patienten persönlich in der Arztpraxis vorstellig wurden, dürfen Vertragsärzte nun Patienten nur aufgrund eines Telefonats krankschreiben - seit dem 23.3.2020 bis zu 14 Tage. Voraussetzung ist, dass Patienten lediglich eine leichte Erkrankung der oberen Atemwege haben.

Nutzerzahlen steigen stark an

Auch die Zahl derjenigen, die Videosprechstunden in Anspruch nehmen, schnellte nach oben. Diesen telemedizinischen Dienst sollen Patienten bevorzugt nutzen, um sich mit Ärzten in Verbindung zu setzen, wenn sie eine Corona-Infektion vermuten. Das Fernbehandlungsverbot war bereits 2018 durch den Deutschen Ärztetag gekippt worden. Ausgiebig Gebrauch wurde davon bisher jedoch nicht gemacht. Die Pandemie hat hier deutlichen Einfluss genommen. Um Ärzte zu unterstützen, teilte die KBV am 16.3.2020 mit, dass Ärzte und Psychotherapeuten jetzt unbegrenzt Videosprechstunden anbieten dürfen. Bisher war die Regelung so, dass diese pro Quartal nur maximal jeden fünften Patienten ausschließlich per Video behandeln und auch nur eine begrenzte Menge an Leistungen abrechnen konnten. Eine Verlängerung der Regelung schließen KBV und Krankenkassen nicht aus.

Krankenhäuser wollen Digitalisierung weiter ausbauen

Krankenhäuser erhoffen sich durch Telemedizin-Lösungen ebenfalls Entlastung. Bereits vor der Krise haben viele an der Implementierung digitaler Lösungen gearbeitet. So kooperiert die Aachener Uniklinik im Rahmen des Projekts „telnet.nrw“ mit verschiedenen Kliniken und bietet in Form von virtuellen Visiten beispielsweise die derzeit sehr gefragte Expertenmeinung ihres Infektiologen an. Die telemedizinische Anwendung stieß schon vor der Krise sowohl bei Ärzten als auch Patienten auf gute Resonanz. Die aktuellen Entwicklungen haben die Nachfrage weiter verstärkt. Andere Kliniken, wie die Asklepios-Kliniken treiben die Einführung von Videosprechstunden oder Online-Terminvergaben voran. Durch die Corona-Krise wollen immer mehr Patienten diese Dienste in Anspruch nehmen. Die Rhön-Klinikum AG hat 2019 in Kooperation mit einem Telemedizinanbieter sogar ein eigenes Unternehmen gegründet und sieht sich nun bestätigt, telemedizinische Angebote noch in diesem Jahr auf den Markt zu bringen.

Auch in Sachen Aufklärung kann die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag leisten. So unterstützt NEXUS mit dem COVID-19 Pre-Check-Portal Krankenhäuser bei der Bekämpfung der Pandemie. Die Portallösung, die auf jeder Krankenhaus-Webseite eingebunden werden kann, hilft Nutzern durch einen Online-Fragebogen bei der Entscheidung, ob sie sich infiziert haben könnten und möglicherweise einen Arzt aufsuchen sollten. Im Verdachtsfall werden Patienten ohne Umwege darüber informiert, wann und wo sie sich zu einem Test oder gegebenenfalls zur Aufnahme einfinden sollen.

Die aktuelle Situation zeigt deutlich, wie wichtig, die Digitalisierung für die Gesundheitsversorgung ist. Die Verfügbarkeit digitaler Gesundheitsdaten - wie beispielsweise in Form von elektronischen Patientenakten - hilft medizinischem Personal, jederzeit und ortsunabhängig auf relevante Patienteninformationen zuzugreifen. Das spart wertvolle Zeit und schafft Entlastung.

Auch wenn es darum geht, Erkrankte auf verschiedene Einrichtungen zu verteilen, ist ein elektronischer Datenaustausch zwischen den Akteuren wichtig. Das gilt ebenfalls für die Weiterbetreuung von Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt. Hier ist der Datenaustausch auch über Sektorengrenzen hinweg von großer Bedeutung und muss weiter vorangetrieben werden. Damit Ärzte im Homeoffice arbeiten und z. B. Röntgenaufnahmen befunden können, ist eine Digitalisierung eben dieser Daten eine Notwendigkeit. Die technischen Voraussetzungen sind dabei bereits oft schon vorhanden. So bietet etwa das bundesweite Netzwerk TKmed die Möglichkeit, radiologische Daten schnell und vor allem datenschutzkonform auszutauschen. Und nicht zuletzt werden elektronische Daten für die Erforschung des Coronavirus gebraucht. Die Auswertung der Informationen bereitet die Grundlage für die Entwicklung von Impfstoffen und die bestmögliche Vorbereitung auf die nächste Pandemie.

Corona-Krise beeinflusst Akzeptanz von digitalen Lösungen

Es ist offensichtlich, dass die Corona-Krise die öffentliche Meinung gegenüber telemedizinischen Lösungen zum Positiven wendet. So zeigte eine PWC-Umfrage zur Überlastung deutscher Notaufnahmen aus dem Jahr 2019 noch, dass zwar die Mehrheit der Bürger für eine Reform der Notfallversorgung plädiert. 58 Prozent der Befragten äußerten sich jedoch skeptisch gegenüber dem Vorschlag, telemedizinische Lösungen einzusetzen, um eine Entlastung für die Notfallversorgung zu erreichen. Immerhin konnten sich 42 Prozent eine Erstberatung per Video-Sprechstunde mit einer Teleklinik vorstellen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine solche Umfrage aktuell eine deutlich höhere Zustimmung für die Telemedizin ergeben würde.

Dafür sprechen auch die Ergebnisse einer Befragung von mehr als 1.000 Bundesbürgern ab 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Diese ergab, dass eine Mehrheit (65 Prozent) digitalen Technologien eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie beimisst. Für viele gehört dazu auch die Arbeit im Homeoffice. Laut Umfrage ist mittlerweile jeder Zweite (49 Prozent) ganz oder zumindest teilweise von Zuhause beruflich tätig. In ganz Deutschland lernen Schüler gerade online und nutzen digitale Tools, um mit ihrem Lernstoff weiter voranzukommen.

Der Corona-Virus hat zweifellos einen Katalysator-Effekt auf die Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Bereits eingeführte Anwendungen erfahren eine starke Nachfrage und auch die Akzeptanz für Anwendungen, die bislang eher mit Skepsis betrachtet wurden, steigt. Die aktuelle Lage offenbart jedoch auch, dass es noch viele Defizite gibt und an vielen Stellen Verbesserungen notwendig sind, um die Vorteile der Digitalisierung optimal auszuschöpfen. Langfristig könnte so aus der Krise viel Gutes erwachsen.

 

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